«Brief an die Bundestagsabgeordneten

Betreffs Afghanistan
Asel, am 26. Oktober 2001
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
als nur Ihrem Gewissen verantwortliche Abgeordnete, erinnern wir Sie an Ihre Verpflichtung, Schaden von unserem Land fernzuhalten. Wir fordern Sie deshalb auf, keinem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zuzustimmen. Jeder Interventionseinsatz der Bundeswehr ist außerdem ohne Änderung des Grundgesetzes verfassungswidrig und aus unseren geschichtlichen Erfahrungen heraus zu Recht verboten. Militärische Terrorismusbekämpfung ist blinder Aktionismus und ein bloßes Zugeständnis an alte Denkgewohnheiten. Diese Form der Terrorismusbekämpfung nutzt daher allenfalls der Rüstungsindustrie. Nur die gezielte Verfolgung der Schuldigen und Beseitigung der Terrorismusursachen ist erfolgversprechend. Damit der Kampf gegen den Terrorismus nicht für nationale Interessen missbraucht wird, ist es ausserdem notwendig, einen internationalen Strafgerichtshof zu schaffen und eine allgemeingültige Terrorismusdefinition zu entwickeln, nach der auch das Handeln der Atommächte zu bewerten ist. Die Tatsache, dass der NATO-Oberbefehlshaber Clark am 11. Juni 1999 im Kosovo einen Angriffsbefehl auf russische Truppen geben konnte, zeigt, wie gefährlich es ist, einzelnen Nationen unumschränkte militärische Handlungsvollmacht zu erteilen ohne sich deren Verantwortungsbewusstsein und der Beachtung des Völkerrechts sicher zu sein. Die "Kollateralschäden" bei UN-Hilfs-Personal und der afghanischen Zivilbevölkerung zeigen viele Parallelen zur Vorgehensweise im Jugoslawienkrieg, wo Terror gegen Zivilisten im nachhinein vom Stabschef der britischen Streitkräfte als "notwendiger" Teil der Kriegsstrategie bezeichnet wurde. Grundsätzlich muss bezweifelt werden, ob die USA wirklich zur Führungsmacht für Demokratie und Menschenrechte erklärt werden können, nachdem gerade die USA mit Hilfe des CIA viele Diktatoren und Terroristen, einschließlich Bin Laden, unterstützt haben. Diese undifferenzierte Sichtweise schadet nicht nur der Glaubwürdigkeit unseres Landes, sondern der Demokratie und Rechtsstattlichkeit allgemein. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit werden durch diese Geisteshaltung aber auch ganz konkret gefährdet. Insbesondere die vom Bundesinnenminister geplanten Sicherheitsgesetze lassen befürchten, dass letztlich ein Gesinnungs- und Überwachungsstaat etabliert wird, der die elementaren Rechtsstaatsprinzipien zerstört. Die Ausgrenzung politisch Andersdenkender von Informationen, manipulative Berichterstattung u. dergl. sind erste Anzeichen dieser Entwicklung. Vorverurteilungen und Medienberichte über die vermuteten Hintermänner der Terroranschläge dürfen keine Grundlage bilden zur Legitimierung und Praktizierung der Todesstrafe ohne rechtsgültigen Beweis, die zudem den Tod Unschuldiger in Kauf nimmt! Auch für angeklagte Täter aus dem Terrorismusbereich müssen die fundamentalen demokratischen Prinzipien der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit sowie der Trennung der Funktionen von Richter und Staatsanwaltschaft sowie das Recht auf Verteidigung gegen eine Anklage gelten. Um Sicherheit gegen terroristische Anschläge wirksam zu erhöhen, fordert das Bündnis für die Zukunft u.a. die Abschaltung aller Atomkraftwerke, weil diese Anlagen als potentielles Ziel von Terroranschlägen extrem gefährlich sind und unser Land zerstören können. Die von Atomkraftwerken ausgehende Gefahr lässt sich unseres Erachtens nicht anders beseitigen, zumal weder verstärkter Objektschutz, noch schärfere Personalkontrollen und erst recht nicht die Durchführung von Rasterfahndungen wirksame Gegenmaßnahmen darstellen, um diese Gefahren zu verhindern. Wir erwarten von unserer Regierung und allen Abgeordneten eine wahrheitsgemäße Analyse der Interventionsrisiken und die "uneingeschränkte" Beachtung des Völkerrechts und des Grundgesetzes. Die "größer gewordene Verantwortung Deutschlands in der Welt" muss genutzt werden, um die UNO zu stärken und den internationalen Gerichtshof handlungsfähig zu machen. Diesen Institutionen ist die führende Rolle bei der Terrorismusbekämpfung zu übertragen. Blinde Rache und nationale Selbstjustiz sind destruktiv. Sie beschädigen die nationale und internationale Rechtsordnung, die das Fundament für das Zusammenleben aller Bürger und das friedliche Miteinander der Staaten bildet.

Bündnis für die Zukunft
Der Bundesvorstand
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